Versäumte Reformen: Eigenanteile für stationäre Pflege erneut stark gestiegen

In einem Tagesschau24-Schwerpunkt zum Thema Pflegekosten kritisiert Bodo de Vries, Kurator des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), die „Webfehler des Pflegesystems“. Die Pflegeversicherung leiste nicht mehr das, wofür sie einst geschaffen worden sei, so de Vries. Anpassungen, die in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten hätten stattfinden müssen, seien versäumt worden. Eine der Konsequenzen: Die Eigenbeiträge, die pflegebedürftige Menschen in der stationären Pflege leisten müssen, steigen rasant an.

Pflege dürfe kein Armutsrisiko sein, hatte Helmut Kneppe, Vorsitzender des KDA, angesichts der steigenden Kosten für Einrichtungen und ambulante Pflege gefordert. „Es darf nicht sein, dass betreuungsbedürftige Menschen mit der Frage leben müssen, kann ich mir Teilhabe, Pflege und Betreuung morgen noch leisten?“, betonte Kneppe und mahnte mit Blick auf die Finanzierungsfrage: „Würde ist auch ein Auftrag an staatliches Handeln.“ Pflege sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. „Das gilt auch für die Finanzierung der Pflegekosten, die bisher vor allem auf den Schultern der zunehmend überlasteten Beitragszahlenden ruht.“

Die Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek) vom 1.7.2023 zeigt erneut einen starken Anstieg der finanziellen Belastung der pflegebedürftigen Menschen in Pflegeeinrichtungen. Die höchsten Mehrkosten im Vergleich zum Vorjahr haben Pflegebedürftige im ersten Jahr ihres Aufenthalts. Hier stieg die monatliche Eigenbeteiligung innerhalb eines Jahres bundesweit im Durchschnitt um 348 Euro an. Lag der durchschnittlich zu zahlende Eigenbeitrag 2022 noch bei rund 2200 Euro, stieg er 2023 auf 2.548 Euro an. Gründe dafür sind die höheren Personalkosten sowie die Inflation, die besonders bei den Energiekosten und den Lebensmittelpriesen zu Buche schlägt.

Die steigenden finanziellen Belastungen führen dazu, dass immer mehr pflegebedürftige Menschen in Pflegeeinrichtungen Sozialleistungen zusätzlich zu ihrer Rente beanspruchen müssen. „Etwa ein Drittel der Bewohner der Langzeitpflege erhalten ergänzende Sozialhilfe“, stellte Bodo de Vries im Interview fest und betonte: „Diese Zahlen stellen die eigentliche Dramatik gar nicht dar.“ Schließlich schmelze, bevor der Gang zum Sozialamt anstehe, die Familienrücklage, die Altersvorsorge erst einmal dahin.

Der Kurator mahnte „eine kommunale Infrastrukturplanung“ an, damit ältere Menschen länger in ihrem Zuhause bleiben können – auch mit Blick auf die stetige Zunahme der Single-Haushalte. Bundesweit sind laut Zensus rund 40 Prozent der Haushalte Singlehaushalte.
Das Kuratorium Deutsche Altershilfe ist im Bereich der Organisation Sorgender Gemeinschaften aktiv. „Was früher die Familie war, könnte in Zukunft die Nachbarschaft sein, eine solidarische Gemeinschaft, in der man sich geborgen fühlt“, hatte Helmut Kneppe, Vorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA),  zum des Nachbarn betont. Hier könnten gerade die Kommunen mit einer integrativen, kooperativen Sozialplanung und Strategien für bedarfsgerechte, pflegeorientierte Strukturen wichtige Grundlagen zum Ausbau von Nachbarschafts-Netzwerken im Sinne des §45c Abs.9 SGB XI legen.

Interview zum Schwerpunktthema in Tagesschau24 
Erhebung des vdek zu Eigenanteilen in der stationären Pflege
Interview zur Finanzierungsfrage: Pflege darf kein Armutsrisiko sein

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