Prävention und sektorenübergreifende Versorgungsnetze können Kliniken entlasten
Berichte über Kliniken, die ihre Notaufnahme schließen müssen, weil sie nicht mehr genügend betreute Betten frei haben, sind alarmierend. Als ein Grund für die enge Bettenkapazität wird neben dem Personalmangel auch eine zunehmend schwierigere Suche nach einer Anschlussversorgung genannt. Das gelte insbesondere, wenn Patientinnen und Patienten einen höheren Pflegegrad haben. Pflegeeinrichtungen lehnten in einem Bericht von „Report Mainz“ die Aufnahme dann ab, weil sie dafür keine Kapazitäten hätten. „Die Krise des Gesundheits- und des Pflegesystems wird lebensbedrohlich, wenn Notaufnahmen schließen müssen und Pflegeeinrichtungen Menschen mit höheren Pflegegraden abweisen. Diese Form der ‚Pflege-Triage‘ ist mit unserem Verständnis von Menschenwürde und Sozialstaat nicht vereinbar!“, kritisiert Helmut Kneppe, Vorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe (KDA). Er fordert eine Stärkung der Prävention und der intersektorellen Zusammenarbeit.
„Wir können Kliniken entlasten, wenn wir die Prävention stärken und vorbeugende Maßnahmen finanzieren“, sagte Kneppe. „Zudem sollten wir dringend mehr Zusammenarbeit über die Sektorengrenzen hinaus ermöglichen, um effektive Versorgungsnetze zu knüpfen.“ Er sprach sich dafür aus, die Trennung der Sektoren im Sozialgesetzbuch zu lockern. „Eine stärkere Zusammenarbeit der Versorgungsbereiche ermöglicht eine zielgerichtetere Versorgung im Einzelfall und kann Klinikaufenthalte reduzieren. Auch sektorenübergreifende Maßnahmen und Aufgabenübertragungen müssen sicher finanziert werden.“ Als Beispiele im klinischen Bereich nannte er die Ermöglichung von Übergangsstationen mit Kurzzeitpflege oder das Entlassungsmanagement. „Wir sollten schon ab der Aufnahme in eine Klinik das Entlassungsmanagement sektorenübergreifend mit allen Beteiligten planen.“ Wichtig sei dabei auch die frühe Einbindung der Familien und der Menschen, die nach dem Klinikaufenthalt die Sorgeverantwortung übernehmen. „Die professionellen Mitarbeitenden sollten gemeinsam mit den pflegenden Angehörigen ein Versorgungsnetz knüpfen. In dieses Netz sollten auch Ehrenamtliche und Nachbarschaftsinitiativen eingebunden werden.“
Je effektiver das Versorgungsnetz außerhalb der Kliniken sei, desto weniger Klinikeinweisungen werde es geben, betonte Kneppe auch mit Blick auf die präventive Wirkung. Die Stärkung der Prävention im Vorfeld von Klinikeinweisungen werde noch zu wenig mitgedacht. „Dabei geht es nicht nur um die Motivation zu vorbeugendem Verhalten des Einzelnen“, so Kneppe. „Es geht um eine Stärkung der Vorsorgestrukturen insgesamt.“ So gebe es erfolgreiche Projekte, die ausgebaut werden könnten. „In Wiesbaden hatte eine Zusammenarbeit von Rettungsdiensten und Altenhilfe eine spürbare Reduktion der Klinikeinweisung zur Folge. In Rheinland-Pfalz übernehmen Advanced Practice Nurses Hausbesuche, in Hamburg werden Bürgerinnen und Bürgern ab einem Alter von 70 Jahren Hausbesuche angeboten.“
Strukturelle, personelle und finanzielle Notlagen führten dazu, dass eine angemessene Versorgung nicht mehr in jedem Fall gewährleistet ist. „Das ist ethisch nicht vertretbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar! Die Krise der sozialen Systeme ist abwendbar. Hier sind die öffentliche Hand und der Gesetzgeber in der Pflicht“, mahnte Helmut Kneppe.
Report Mainz zur „Pflege-Triage“
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