Der Betrieb muss laufen: Wie Kleinstunternehmen die Vereinbarkeit von Beruf und privaten Pflegeaufgaben gestalten

Wissenschaftliche Erhebung über konkrete Vereinbarkeitsstrategien in einer Fokusgruppe mit Praxisbeispielen

Viele Menschen vereinbaren den eigenen Beruf mit Sorgetätigkeiten. Doch wie spricht man über dieses Thema und wie gehen gerade die kleinsten Unternehmen damit um? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die neue Veröffentlichung aus dem „Landesprogramm Vereinbarkeit von Beruf und Pflege NRW“ des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA).

Deutlich wird, dass Vereinbarkeit ein sogenanntes „Wir müssen reden“-Thema ist. Durch die tägliche enge Zusammenarbeit in eher familiären Strukturen finden persönliche Themen auch am Arbeitsplatz Gehör. Durch langjährige Zusammenarbeit entsteht eine gemeinsame Biografie. So wird beispielsweise wechselseitig das Aufwachsen der Kinder miterlebt oder auch das eigene Älterwerden.

Betrachtet man im Vereinbarkeitsdiskurs zu Beruf und Pflege die unterschiedlichen Arten von Unternehmensgrößen wird schnell deutlich, dass gerade zu Kleinstunternehmen bisher kaum Wissen vorliegt. Der Bericht „Koordination – Kooperation – Kompensation: Vereinbarkeit von Beruf und Pflege in Kleinstunternehmen in NRW“ widmet sich gezielt der Exploration des Themas Vereinbarkeit von Beruf und Pflege in Kleinstunternehmen. Dazu wurden mit einer Fokusgruppenerhebung erste Impulse für die Angebotsentwicklung herausgearbeitet.

Dabei konnten neue Erkenntnisse bezogen auf die Verwendung des Vereinbarkeitsbegriffs aufgezeigt werden, Einblicke in die Unternehmenskultur und die dort umgesetzten Strategien und über die Haltungen im Umgang mit Vereinbarkeit gewonnen werden. Zudem konnten konkrete Bedarfe rund um den Themenkomplex Vereinbarkeit und die gängigsten Ansprechpartner für Fragen eruiert werden.

Die gemeinsame Biografie im Unternehmen enthält einzelne Perspektiven einer lebensphasenorientierten Personalpolitik, ohne diese explizit im Leitungsverständnis auszuweisen. Über die jeweiligen Pflegesituationen der Mitarbeitenden sind die Vorgesetzten sehr genau informiert. Oft kennen sie die Angehörigen. Durch diese direkte Teilnahme an der Situation der Pflege in der Familie werden zielgerichtete Vereinbarkeitslösungen gestaltet.

Gleichwohl werden diese nicht als Vereinbarkeitslösungen wahrgenommen, sondern auf dem Konto der wechselseitigen Unterstützung verbucht. Sie sind Teil eines familiären Miteinanders, welches als selbstverständlich gelebt wird.

Zentrales Ziel der Chefin, des Chefs im Kleinstunternehmen ist es, dass „der Betrieb läuft“. Durch kurze Wege und die enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden werden mögliche persönliche Belastungen, die sich negativ auf die Betriebsabläufe auswirken, frühzeitig identifiziert, abgemildert und im besten Fall behoben. Um welche konkreten persönlichen Belastungen es sich handelt, spielt dabei keine Rolle: Ob das Kind erkrankt ist oder ein Familienmitglied pflegebedürftig wird – entscheidend ist, hier möglichst rasch einen Ausfall zu kompensieren.

Dabei werden sehr pragmatisch aus den begrenzten Ressourcen Lösungen entwickelt. Mal wird ein Auftrag verschoben, mal ein Springer oder eine Minijob-Kraft eingesetzt, mal packt der Chef mit an und verschiebt Büroarbeiten. Wie schon in anderen Untersuchungen zeigt sich, dass zu einer schnellen Lösung durchaus auch informelle statt formeller Hilfen verwendet werden (vgl. Ruppert et al. 2019). Es wird koordiniert, kooperiert und kompensiert. Diese drei Strategien der Ko-Trias greifen mit situationsabhängiger Gewichtung ineinander. Sie werden universal eingesetzt, damit der Betrieb läuft. Im Sinne des Lernens am Modell verfeinern sich mit jeder konkreten Vereinbarkeitssituation auch die Vereinbarkeitsstrukturen im Unternehmen. Konkrete Beispiel finden sich im Bericht.

Bericht „Koordination – Kooperation – Kompensation: Vereinbarkeit von Beruf und Pflege in Kleinstunternehmen in NRW“

Fachfragen richten Sie bitte an Adelheid von Spee: adelheid.vonspee@kda.de

Medienanfragen beantwortet gerne Solveig Giesecke, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:
+49 30 / 2218298-58, solveig.giesecke@kda.de