Zunehmende Bedeutung der gewerblichen internationalen Anwerbung

Stellungnahme des Kuratoriums Deutsche Altershilfe im Rahmen der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes/einer Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung vom 5. Januar 2023

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben einen Referentenentwurf für ein Gesetz/Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung vorgelegt. Hierzu hat das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) Stellung genommen.

Das KDA bringt seine Stellungnahme auf Basis des KDA-Projektes Deutsches Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF) sowie des Engagements zur Herausgabe und Erteilung des Gütesiegels ‚Faire Anwerbung Pflege Deutschland‘ ein.

Seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im März 2020 kristallisierten sich wesentliche Weiterentwicklungsbedarfe zur Erleichterung der Gewinnung von im Ausland qualifizierten Personen heraus. Die Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Zuge der zunehmenden Dynamik der gewerblichen Anwerbung und Vermittlung insbesondere von Pflegefachpersonen wird seitens des KDA sehr begrüßt. Gerade dieser zunehmenden Bedeutung der gewerblichen internationalen Anwerbung und Vermittlung wird jedoch im vorgeschlagenen Referentenentwurf keine Rechnung getragen. Obwohl die Pflegefachberufe bei der internationalen Anwerbung und Vermittlung von Fachpersonen den größten Anteil aller Berufsgruppen abbilden, spiegelt sich der aktuell bestehende internationale Pflegearbeitsmarkt nicht im vorliegenden Entwurf wider. Konkret lässt sich dieses an folgenden Stellen verdeutlichen:

Fokus auf gewerbliche Personalvermittlung fehlt

Während der Entwurf Hauptaugenmerk auf eine eigeninitiativ betriebene Erwerbsmigration legt, wird in der Praxis die Erwerbsmigration von Pflegefachpersonen nahezu ausschließlich über gewerbliche oder staatliche Vermittler organisiert. Die Neuerungen ergeben infolgedessen im Wesentlichen weder für die anwerbenden Akteure (international anwerbende Arbeitgebende, gewerblich international vermittelnde Personaldienstleister) noch für die Pflegefachpersonen selbst Erleichterungen oder Vorteile im Rahmen der Erwerbsmigration. Zu intensivieren sind hingegen qualitätssichernde Bestrebungen zur Regulierung der gewerblichen Personalvermittlung im Sinne des Schutzes international angeworbener Fachpersonen. Ein wichtiger Baustein ist hierfür die Ratifizierung der ILO-Konvention 1811. Darüber hinaus besteht u.a. für den Bereich der Pflegefachpersonen das seit 2021 im Gesetz zur Sicherung der Qualität der Gewinnung von Pflegekräften aus dem Ausland verankerte Gütesiegel „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“. Zur Entfaltung der Wirksamkeit solcher Gütesysteme sind Anreize für anwerbende Akteure (international anwerbende Arbeitgebende, gewerblich international vermittelnde Personaldienstleister) zu setzen, um eine ethisch faire und nachhaltige Anwerbe- und Vermittlungspraxis zu gewährleisten. Denkbar wäre eine Verringerung der gesetzlich geregelten Einwanderungsbedingungen bei einem Nachweis ethisch vertretbarer und fairer Anwerbe- und Vermittlungsprozesse.

Blaue Karte EU adressiert die größte Berufsgruppe der Pflegefachpersonen nicht

Die vorgeschlagenen Regelungen unter Artikel 1, u.a. zur Blauen Karte EU, adressieren die Berufsgruppe der Pflegefachpersonen nicht: International angeworbene Pflegefachpersonen weisen immer häufiger eine im Ausland erworbene akademische Pflegequalifikation auf mindestens Bachelorniveau auf, die aufgrund der bisherigen Dominanz des deutschen Referenzberufs der/des beruflich qualifizierten „Gesundheits- und Krankenpfleger/ -in“ jedoch weiterhin als „Fachkräfte mit beruflicher Ausbildung“ zugeordnet werden. Dies hat weitreichende Einschränkungen in der Kompetenzentfaltung der qualifizierten Pflegefachpersonen sowie der beruflichen Weiterentwicklung in Deutschland zur Folge. Im Zuge des im Jahr 2021 in Kraft getretenen Pflegeberufegesetzes und der damit eingeführten flächendeckenden Möglichkeit zur akademischen Berufsqualifikation als „Pflegefachmann / Pflegefachfrau“ ist im Sinne einer wertschätzenden Willkommenskultur die Anerkennung des Status‘ als „Fachkraft mit akademischer Ausbildung“ dringend zu ermöglichen. Nur so wird Deutschland für Pflegefachpersonen aus anderen Ländern einen attraktiven Standort mit beruflichen Perspektiven bieten und diese halten können.

Anerkennungspatenschaften sind für reglementierte Berufe ungeeignet

Die Einführung von Anerkennungspatenschaften ist für das Feld der reglementierten Berufe aufgrund nur schwierig zu realisierender Voraussetzungen nicht attraktiv. Insbesondere bei Ausgleichsmaßnahmen für Pflegefachberufe sind die Bundesländer und ihre zuständigen Stellen in jedem Einzelfall relevant. Vorrausichtlich muss daher die Option der Anerkennungspatenschaften für die reglementierten Pflege- und Gesundheitsberufe mit den Bundesländern und den jeweiligen zuständigen Stellen abgestimmt werden. Ggf. muss dazu das Pflegeberufegesetz um die Option der Anerkennungspatenschaft ergänzt werden. Grundsätzlich ist auf eine bundeseinheitliche Regelung unbedingt hinzuwirken.

Zu Artikel 2: Änderungen des § 16d AufenthG – Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen

Die Änderungen des §16d intendieren mit Ausnahme des neu eingeführten Absatz 3a eine Verlängerung des Anerkennungsprozesses anstelle einer allgemein geforderten Verkürzung.

Zu 6.a)/c)

Die vorgeschlagene Verlängerung des maximalen Aufenthaltstitels nach §16d Abs. 3 von zwei auf drei Jahre macht die bestehenden bürokratischen Hürden in Aufenthalts- und Anerkennungsverfahren deutlich: Aufgrund u.a. steigender Antragszahlen sowie knapper Personal- und Zeitressourcen zur Prüfungsterminierung für Pflegefachberufe sind zuständige Stellen zunehmend überlastet. Die Folge sind Fristverlängerungen und erhebliche Verzögerungen bei der Ausstellung der Berufsausübungserlaubnis, die schwerwiegende Folgen für international anwerbende Pflegefachpersonen nach sich ziehen können. Eine Ausweitung des Aufenthaltstitels auf drei Jahre würde zwar die zuständigen Stellen entlasten, gleichzeitig würde damit jedoch ein Anreiz zur Verlängerung der Anerkennungsprozesses gesetzt werden, der nicht im Sinne des Gesetzgebers sein kann.

Insbesondere für die reglementierten Gesundheits- und Pflegefachberufe besteht diesbezüglich die Besonderheit, dass die Personalplanung sowie -finanzierung an die berufliche Anerkennung der international angeworbenen Fachpersonen geknüpft ist. Eine Verlängerung des Anerkennungsprozesses hätte demzufolge gravierende Folgen für Pflege- und Gesundheitsunternehmen.

Die im beschleunigten Fachkräfteverfahren vorgegebenen Bearbeitungsfristen werden in der Praxis oftmals durch die Anwendung von Fristunterbrechungen unterlaufen bzw. ausgehebelt. Dabei bestehen insbesondere aus Sicht der Antragsstellenden intransparenten und heterogene Bestimmungen zur Einreichung vorzuweisender Unterlagen. Nicht-vollständige Unterlagen führen jedoch sowohl auf Seiten der zuständigen Stellen als auch auf der der Antragsstellenden zu bürokratischem und zeitlichem Mehraufwand, dem mithilfe einheitlicher, transparent offenzulegender Vorgaben (z.B. einsehbar auf einer Onlinepräsenz der Behörde) im Sinne aller Beteiligten entgegenzuwirken ist.

Zu 6. a)

Eine Erhöhung des maximalen wöchentlichen Stundensatzes von „zehn“ auf „20“ Std. zur Ausübung einer von der anzuerkennenden Berufsqualifikation unabhängigen Beschäftigung nach §16 d Abs. 4 Satz 3 gefährdet eine erfolgreiche Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme. Während einer Vollzeit-Qualifizierungsmaßnahme (zzgl. der Teilnahme an einem Sprachkurs) eine Zusatzbelastung von bis zu 20 Std. wöchentlicher RAZ an zusätzlicher Beschäftigung zu ermöglichen, erhöht die ohnehin bestehende Belastung von Pflegefachpersonen in Anerkennung. Im Sinne nachhaltiger internationaler Anwerbestrategien von Unternehmen in Deutschland ist es nötig, dass sie innerbetrieblich eine ausreichende Finanzierung des Lebensunterhaltes ermöglicht bekommen – und Fachpersonen in Anerkennung eben nicht in anderen Tätigkeitsfeldern hinzuverdienen müssen.

Zu 6. d)

Die Ergänzung des §16 d Abs. 3a ist im Hinblick auf die Verpflichtung Arbeitgebender von Pflege- und Gesundheitsunternehmen zur aktiven Beteiligung an der Umsetzung von Qualifizierungsmaßnahmen für international angeworbene Pflegefachpersonen sowie deren Beschäftigung während der Maßnahme grundsätzlich zu begrüßen. Eine Ausstellung eines Aufenthaltstitels von nur einem Jahr kann unter den aktuellen Rahmenbedingungen jedoch dazu führen, dass zahlreiche Anträge zur Verlängerung des Aufenthaltstitels bis zu drei Jahre beantragt werden müssten. Dieses würde sowohl für die Antragstellenden als auch für die zuständigen Stellen einen vermeidbaren Mehraufwand bedeuten. Darüber hinaus ist bezüglich der Ausführungen unter Satz 4 unklar, welche Arbeitgebende „für die Ausbildung oder Nachqualifizierung geeignet sind“. Dies könnte u.U. Unternehmen der Akutversorgung gegenüber Unternehmen der Langzeitversorgung bevorzugen, welches es in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen in stationären Pflegeeinrichtungen zu vermeiden gilt.

Referentenentwurf

Bei Fragen zum DKF wenden Sie sich bitte an Dr. Sarina Strumpen, Leiterin Deutsches Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF): sarina.strumpen@kda.de

Bei Fragen zum Gütezeichen „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ und zur Gütegemeinschaft Anwerbung und Vermittlung von Pflegefachpersonen aus dem Ausland e.V. wenden Sie sich bitte an Ann-Christin Wedeking, Geschäftsstellenleiterin: ann-christin.wedeking@kda.de

Presseanfragen richten Sie bitte gerne an Solveig Giesecke: Tel.: +49 30 / 2218298 – 58, E-Mail: solveig.giesecke@kda.de