Internationales Pflegefachpersonal: Das Willkommen gestalten

Gastbeitrag von Helmut Kneppe, Vorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), im Magazin EURACTIV zum Tag der Pflegenden

In einem Gastbeitrag für das Magazin EURACTIV betont Helmut Kneppe, Vorsitzender des KDA, die Notwendigkeit einer Willkommenskultur in Deutschland. Nur so kann es gelingen, dass sich die Menschen, die zu uns kommen, um hier zu leben und zu arbeiten, wohl fühlen. Ein betriebliches Integrationsmanagement-Konzept, das auf den anwerbenden Betrieb zugeschnitten ist, gestaltet das Einleben und die Zusammenarbeit im Unternehmen.
„Die Menschen in der EU werden älter. Der demografische Wandel und die steigende Zahl der Menschen mit Pflegebedarf führen zu einem Mangel an Fachpersonal – insbesondere in der Pflege. Die EU-Kommission mahnte: Ohne den Zuzug qualifizierter Gesundheits- und Pflegekräfte aus Drittstaaten ist die Versorgung kaum zu schaffen.

Laut einer Studie, die die EU-Kommission 2021 veröffentlichte, werden bis zum Jahr 2030 EU-weit zusätzlich rund elf Millionen Pflegekräfte benötigt. Schon jetzt arbeiten etwa 1,3 Millionen Menschen aus Nicht-EU-Staaten im Gesundheitsbereich – insbesondere in Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien und Schweden.

In Deutschland entwickelt sich der Mangel an Fachpersonal in einigen Bereichen bereits jetzt zur Krise. Betroffen davon sind auch die Pflegeberufe. Hier führen zudem Unzufriedenheit und hohe Arbeitsbelastung, strukturelle Probleme, die in Deutschland dringend gelöst werden müssen, dazu, dass Pflegepersonal den Beruf wechselt.

Deutsche Arbeitgebende aus dem Gesundheitsbereich, die im Ausland anwerben möchten, nehmen häufig den Service von Vermittlungsagenturen in Anspruch. Etwa 230 private Personalservice-Agenturen bieten ihre Leistungen an – und nicht alle gehen dabei immer transparent und fair vor. So beauftragte das Bundesministerium für Gesundheit 2019 das Deutsche Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF) im Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) mit der Entwicklung eines Gütesiegels, das einen ethisch vertretbaren, fairen und transparenten Vermittlungs- und Anwerbeprozess auszeichnet.

Das Gütesiegel orientiert sich an nationalen und international Standards und Normen, wie die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der UN, die Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der globale Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften. Im Februar 2022 wurden die ersten Gütezeichen „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ an Personalservice-Agenturen und Einrichtungen, die selbst anwerben, vergeben. Inzwischen konnte das freiwillige Gütezeichen mehr als 60-mal erteilt werden.

Die Staaten der EU, die in Drittstaaten anwerben, treten in Konkurrenz zu anderen Wettbewerbern, etwa aus den USA, Kanada, China oder arabischen Staaten. Die EU-Staaten können in der Regel mit dem Vertrauen punkten, das in die Einhaltung der Freiheitsrechte, in die Sicherheit, das Sozialsystem und die Rechtsstaatlichkeit gesetzt wird.

Das staatliche Gütesiegel stärkt hier zusätzlich das Vertrauen in den Anwerbeprozess durch geprüfte Vermittlungsagenturen. Im EU-Vergleich sind aber gerade in Deutschland die bürokratischen Hürden sehr hoch, die überwunden werden müssen, um eine Berufsausübungs-Erlaubnis zu erhalten. Selbst die aktuelle Novelle des Einwanderungsrechts geht vielen Unternehmen nicht weit genug. Hemmnisse wie z. B. die nicht ausreichende Digitalisierung der Antrags- und Prüfverfahrens oder zu lange Bearbeitungszeiten und unterschiedliche Regelungen der Bundesländer führen zu langen Wartezeiten.

Doch die Anwerbung ist nur der Auftakt. Um sie nachhaltig zu gestalten, müssen sich die angeworbenen Menschen hier wohl fühlen. Es bedarf einer Willkommenskultur, einer Wertschätzung und Offenheit der Gesellschaft insgesamt. In einer aktuellen Studie „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ gab immerhin rund ein Drittel der befragten Migrantinnen und Migranten an, Diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben.

Zudem sollten die anwerbenden Gesundheits- und Pflegeunternehmen ein betriebliches Integrationsmanagement-Konzept haben, das auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten ist. Das Ankommen und das Bleiben werden durch ein effektives Integrationsmanagement in mehreren Schritten und auf mehreren Ebenen positiv gestaltet. Dabei ist es wichtig, schon vor der Anwerbung die eigenen Prozesse anzupassen. Auch sollten Einrichtungen schon zu einem frühen Zeitpunkt in Kontakt mit den potenziellen neuen Mitarbeitenden treten und gegenseitige Erwartungen klären. Auch die Vorbereitung des Teams in Deutschland ist für eine gelingende Anwerbung wichtig. Eine Orientierung sowie Best-Practice Beispiele bietet hierbei der „Werkzeugkoffer Willkommenskultur & Integration“ mit 15 Anforderungsfeldern an ein solches Konzept. Das Onlineangebot wurde ebenfalls vom DKF erarbeitet.

Wie essenziell ein Integrationskonzept ist, lehren die Fehler der Vergangenheit, als zum Beispiel arbeitssuchende Pflegefachpersonen aus Spanien nach Deutschland kamen, aber einige auch bald wieder abreisten, da sie sich nicht wohlfühlten oder die Erwartungen einfach mit der Realität kollidierten. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zur „Betrieblichen Integration von Pflegekräften aus dem Ausland“ (2019) spielt zwar auch Heimweh eine Rolle. Es entstehen aber zwischen den neuen Pflegefachpersonen und den etablierten Mitarbeitern oftmals Konflikte. Ein Grund kann die Unterschiedlichkeit der Ausbildungen und der Pflegesysteme sein. So ist es für internationale Fachkräfte, die in der Regel einen akademischen Abschluss haben, manchmal überraschend, wenn sie beim Essen oder der Körperpflege unterstützen sollen. In ihren Herkunftsländern übernehmen dies spezielle Servicekräfte oder auch Angehörige der Patienten.

Grundsätzlich ist das Interesse der Gesellschaft am Thema Gleichbehandlung in Deutschland gestiegen. In der Befragung für die bereits zitierte Studie „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“ geben 77% an, sich für das Thema Gleichbehandlung zu interessieren. 2008 waren es nur 63%. Der Aussage, dass Antidiskriminierungspolitik langfristig dazu führt, dass es allen in der Gesellschaft besser geht, stimmen 66% der Befragten zu.

Das sind gute Voraussetzungen, um eine offene Willkommenskultur zu gestalten, damit Menschen, die bei uns leben und arbeiten möchten, sich hier wohl fühlen. Und gerade in der Pflege sind Vertrauen, ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander besonders wichtig.“

Gastbeitrag in EURACTIV

EU-Studie „Health und Longterm-Care Workforce
Studie „Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft“

Gütezeichen Faire Anwerbung Pflege Deutschland

„Werkzeugkoffer Willkommenskultur & Integration“

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Mit Fragen zum Gütezeichen wenden Sie sich bitte an Ann-Christin Wedeking: ann-christin.wedeking

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