Zur Jubiläumskonferenz „Anerkennung öffnet Türen – 10 Jahre Anerkennungsgesetz“

Zur heutigen Jubiläumskonferenz „Anerkennung öffnet Türen – 10 Jahre Anerkennungsgesetz“ am 3. Mai 2022 berichtet Frau Dr. Sarina Strumpen, Projektleiterin des Deutschen Kompetenzzentrums für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF), im Interview mit dem KDA zur Situation der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen von Pflegefachkräften.

 Vor zehn Jahren trat das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen in Kraft – wie war zuvor die Situation für im Ausland qualifizierte Pflegefachkräfte, die in Deutschland leben und arbeiten wollten?
 
Vor der Einführung des Anerkennungsgesetzes war es vor allem für Pflegekräfte mit Berufsqualifikationen aus Drittstaaten sehr schwierig, in Deutschland zu arbeiten. Für die Anerkennung von Qualifikationen aus dem Ausland gab es keine guten Regelungen. Menschen, die in Deutschland als Pflegefachkraft arbeiten wollten, mussten ihre Berufsausbildung meistens neu absolvieren. Das Anerkennungsgesetz schaffte erstmals eine ermöglichende gesetzliche Grundlage für die Anerkennung internationaler Berufsabschlüsse und öffnete somit für viele Menschen die Tür für eine ihrer im Ausland erworbenen Qualifikation angemessenen Erwerbstätigkeit in Deutschland. Gleichzeitig war das Anerkennungsgesetz auch der Startpunkt für die systematische Anwerbung von Pflegefachkräften nach Deutschland.

Wie ist die Situation heute?

Seit zehn Jahren ist es nun möglich, dass sowohl in Deutschland lebende Pflegefachkräfte, die ihre Qualifikation im Ausland erworben haben, als auch Pflegefachkräfte, die eine Erwerbsmigration nach Deutschland planen, ihre Berufsqualifikation anerkennen lassen können. In diesem Gefüge hat sich ein Markt für privatwirtschaftliche Personalserviceagenturen entwickelt. Diese Agenturen rekrutieren im Auftrag von Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen Pflegefachkräfte aus Drittstaaten auch nach Deutschland. Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen in Pflegeberufen wurde daher in den letzten zehn Jahren vom Einzelfall zu einem aktiven Beitrag in der Personalbeschaffung im Bereich der Pflege. Das Anerkennungsmonitoring des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) verzeichnet seit der Einführung des Anerkennungsgesetzes im Jahr 2012 einen starken Zuwachs an Anträgen auf Anerkennung – bei den bundesrechtlich geregelten reglementierten Berufen, zu denen die Pflege zählt, verzeichnete das Anerkennungsmonitoring im Zeitraum zwischen 2012 und 2018 einen Anstieg von 8.775 auf 22.563 Anträge. Medizinische Gesundheitsberufe waren in diesem Zeitraum häufig die antragsstärkste Berufsgruppe.

Auswertung der amtlichen Statistik zum Anerkennungsgesetz des Bundes für 2019 (Ergebnisse des BIBB-Anerkennungsmonitorings)

Welche Fortschritte wurden im Laufe der zehn Jahre dank des Anerkennungsgesetzes in welchem Bereich erzielt?

Neben der Etablierung eines gesetzlich geregelten Anerkennungsverfahrens wurden in den letzten zehn Jahren auch eine Vielfalt an Informations- und Beratungsangeboten geschaffen. Zum Beispiel stellt die Plattform www.anerkennung-in-deutschland.de niedrigschwellig wichtige Informationen für Interessierte und Antragsstellende zur Verfügung. Darüber hinaus ermöglicht die systematische Erhebung von Daten zum Anerkennungsgeschehen im Rahmen des Anerkennungsmonitoring einen fundierten Fachdiskurs und eine evidenzbasierte Steuerung der Anerkennung in Deutschland.

Weiterhin wurde durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) ein weiterer Meilenstein für die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen gelegt. Mit dem beschleunigten Fachkräfteverfahren wurde die Grundlage für einen gestrafften Anerkennungsprozess geschaffen, der u.a. Pflegefachkräfte schneller und effizienter zur Berufszulassung führt.

Zwischenbilanz rückblickend: Welche Herausforderungen hat die Einführung des Anerkennungsgesetzes mit sich gebracht?

Die Anträge für Berufsanerkennung sind im Bereich der Pflegeberufe stark gestiegen. Die Bearbeitung der Anträge durch die zuständigen Stellen stößt oft aus Kapazitätsgründen an Grenzen. Und die Anzahl der Anträge nimmt zu.
Eine weitere Herausforderung ist die föderale Vielfalt in der Anerkennungspraxis. Bescheide können je nach Bundesland sehr variieren. Neben dem kostenpflichtigen Verfahren selbst entstehen Antragstellenden auch noch Kosten für Beglaubigungen und Übersetzungen.

Und was brauchen wir für die Zukunft?

In Anbetracht des Fachkräftemangels und dem wachsenden Markt rund um die strategische Anwerbung internationaler Pflegekräfte nach Deutschland bedarf es einer Vereinfachung der Verfahren im Anerkennungsprozess – auch zur Entlastung der zuständigen Stellen. Aber auch, um das Serviceerleben der international angeworbenen Fachkräfte in der Perspektive einer Willkommenskultur in Deutschland zu erhöhen.

Darüber hinaus wird die Fach- und Berufssprache mit der Einführung der Fachsprachenprüfung noch mehr an Bedeutung gewinnen. Bisher ist für die Berufsanerkennung im Bereich Pflege noch ein GER B2 Zertifikat notwendig. Berufssprachliche Förderung kann beispielsweise durch Gestaltung von Anpassungsmaßnahmen stärker fokussiert werden.

Wie läuft die Anerkennung in Deutschland im internationalen Vergleich?

Wir merken, dass die Berufsanerkennung in Deutschland im internationalen Vergleich einzigartig geregelt ist. Auf Kongressen und im Austausch mit internationalen Partner*innen fällt auf, wie speziell das Anerkennungsverfahren in Deutschland ist. Andere Länder, wie z.B. Australien und Großbritannien, verlangen, dass bestimmte im Ausland qualifizierte Fachkräfte, u.a. Pflegefachkräfte, professionellen Registern beitreten. Dass die Zuständigkeit für die Anerkennung in Deutschland bei Landesbehörden statt bei professionellen Vereinigungen liegt und in jedem Bundesland anders ablaufen kann, ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich.

Das DKF organisiert die Pilotierung von INGA Pflege. Was ist das?

INGA Pflege ist eine neue berufsintegrierte Ausgleichsmaßnahme für internationale Pflegefachkräfte. Pflege- und Gesundheitsunternehmen steht damit ein zuverlässiges und nachhaltig integrationsförderndes Konzept für einen Anpassungslehrgang zur Verfügung, durch den international angeworbene Pflegefachkräfte schneller die Anerkennung ihrer Berufsqualifikation in Deutschland erhalten können. Als Anpassungslehrgang verbindet INGA Pflege eine effiziente Berufsanerkennung, eine nachhaltige Einarbeitung in die aufnehmende Einrichtung sowie eine Stärkung der kommunikativen Handlungskompetenz im Beruf.

Welche innovativen Aspekte bringt INGA Pflege mit?

INGA Pflege ist ein betriebsnaher Weg der Berufsanerkennung. Ziel ist, dass die Pflegefachkräfte unmittelbar nach ihrer Anerkennung regulär und eingearbeitet als Fachkräfte eingesetzt werden können. Dazu verbindet INGA Pflege von Anfang an eine intensive Verzahnung des Fach- und Sprachlernens mit einem hohen Anteil angeleiteter Praxis am zukünftigen Arbeitsplatz. So kann die Qualifizierung praxisnah am Arbeitsplatz erfolgen. Gleichzeitig ermöglicht INGA Pflege eine intensive Sprachförderung und eine Vorbereitung auf die Sprachprüfung GER B 2 und in Zukunft auf die Fachsprachenprüfung.

INGA Pflege erleichtert internationalen Pflegefachkräften den Einstieg und fördert von Beginn an eine nachhaltige Einbindung in anwerbende Unternehmen.

 

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Deutschen Kompetenzzentrums für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen (DKF)

Informationen zur Veranstaltung: 10 Jahre Anerkennungsgesetz
Mit Beitrag von Dr. Sarina Strumpen in Panel 2 (13 Uhr und 14.30 Uhr)

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an Solveig Giesecke: Tel.: +49 30 / 2218298 – 58, solveig.giesecke@kda.de