Die rasant steigenden Kosten infolge des Krieges in der Ukraine, insbesondere die Energiekosten, und die neu geregelten Personalvorgaben schlagen bei Kliniken und Pflege-Einrichtungen zu Buche. Einrichtungen, Kommunen und Verbände sehen einen „Kosten-Tsunami“ auf die Beteiligten zurollen. Helmut Kneppe, Vorstandsvorsitzender des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), schlägt Überbrückungshilfen für Menschen vor, die in Einrichtungen und zuhause gepflegt werden. Zudem fordert er einen Sockel-Spitze-Tausch.
Die steigenden Kosten belasten mehrere Bereiche in der Pflege. Die seit Anfang des Jahres geltende Kostenbremse für Pflegeheim-Bewohnerinnen und -bewohner kommt gegen die Preissteigerungen kaum an. Das zeigt eine Analyse der Effekte des Leistungszuschlags im ersten Halbjahr 2022, die der Bundesverband der Ersatzkassen durchgeführt hat. Demnach ist der Entlastungseffekt bei einer Aufenthaltsdauer von unter einem Jahr bereits nach sechs Monaten verpufft. Pflegebedürftige Menschen mit einem Aufenthalt von bis zu 12 Monaten und einem Zuschlag von 5 Prozent mussten am 1.1.2022 bundesweit einen durchschnittlichen Eigenanteil von bundesweit 2.133 Euro bezahlen. Am 1.7.2022 lag dieser bereits wieder bei 2.200 Euro.
Helmut Kneppe, Vorsitzender des KDA, fordert dringend einen „Sockel-Spitze-Tausch“: „Mit diesem Instrument könnten künftig auch ad-hoc Regelungsbedarfe auf der Grundlage eines funktionierenden Finanzierungssystems gelöst werden. Es wäre nicht mehr notwendig, bei akut auftretenden Finanzierungsbedarfen – wie z.B. die aktuell explodierenden Energiekosten – mit bürokratischen und möglicherweise systemfremden Teillösungen Reparaturen vorzunehmen“, sagte Kneppe. Der KDA-Vorsitzende wies auch darauf hin, „dass die Folgen einer Sozialhilfe-Inanspruchnahme dauerhaft für pflegebedürftige Menschen und ihre Familien“ seien, die aktuellen Krisen aber hoffentlich vorübergingen. Überbrückungsgelder könnten helfen, so Kneppe. „Die Würde und Lebensleistung dieser Menschen erfordern hier ein klares Bekenntnis.“
Wie und unter welchen Voraussetzungen die Kostensteigerungen von Einrichtungen weitergegeben werden können, dazu befragten der Evangelische Pressedienst (epd) und der Tagesspiegel Experten des Kuratoriums Deutsche Altershilfe.
Wie die Kosten an Bewohnerinnen und Bewohner weitergegeben werden, hängt von den Verträgen und zum Beispiel von der Größe der Einrichtung ab. „Ab wann steigende Energiekosten umgelegt werden, unterscheidet sich sicherlich in Abhängigkeit von der Größe des Heimbetreibers“, erklärt André Vater, Vorstand der Bremer Heimstiftung und Aufsichtsratsmitglied des KDA. „Kleinere Betreiber werden die Kostendynamik sehr zeitnah spüren und sicher auch zeitnah umsetzen.“ Größere Betreiber hätten künftige Energiebedarfe über Terminkontrakte für längere Zeit zu niedrigeren Konditionen festgezurrt. Bis zu zwei Jahre lang könnten Heimbewohnerinnen und -bewohner sicher sein vor steigenden Energiekosten. So lange laufen Vater zufolge die längsten Verträge mit den Energieversorgern.
Im betreuten Wohnen sind Preiserhöhungen jährlich möglich. Das Erhöhungsverfahren für die Heimentgelte ist im WBVG geregelt, erklärte Prof. Dr. Thomas Klie, Mitglied im Kuratorium des KDA. „Es muss jeweils nachgewiesen werden, dass sich die Berechnungsgrundlage für die Heimentgelte geändert hat.“ Steigende Energiepreise berechtigten, die Unterkunftskosten zu erhöhen – allerdings nicht rückwirkend. Das führe zu Risiken bei den Heimbetreibern, da sie die Entwicklungen auf dem Energiemarkt nicht antizipieren könnten. Möglicherweise, so Prof. Klie, werde man auf eine verbrauchs- und kostenabhängige Nebenkostenabrede ausweichen. Das setze eventuell Vertragsveränderungen voraus, die „nicht so ohne Weiteres und ohne Zustimmung der Bewohner*innen“ durchgesetzt werden könnten.
Was die Personalkosten anbelange, so Prof. Klie, seien diese kalkulierbar. „Sie werden regelmäßig in den Pflegesatzverhandlungen mitverhandelt. Die anstehenden Erhöhungen ergeben sich aus dem Tariftreuegesetz und ggf. aus den neuen Personalberechnungen.“
Analyse des VDEK zum Leistungszuschlag
Bericht des Evangelischen Pressedienstes: Ein Platz im Heim könnte teurer werden
Bericht im Tagesspiegel-Background, 28.08.2022: Warnung vor Kostenexplosion in den Heimen
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