Mit 66 Euro, da fängt das Pflegen noch lange nicht an!

Wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Lasten pflegender Angehöriger schönrechnet

Stunden nach dem „Tag der Pflegenden Angehörigen“ veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ein Papier zur finanziellen Situation von Menschen, die privat Angehörige oder Freunde pflegen. Darin werden die finanziellen Einkommenseinbußen durch übernommene Pflegeverantwortung mit 66 Euro beziffert. Das Wohlstandsniveau zwischen Pflegenden und Nichtpflegenden wird als ähnlich bezeichnet. Tatsächlich belegen aber mehrere Studien, dass es im Schnitt zu enormen Einkommenseinbußen von mehreren Hundert Euro pro Monat kommt.

Das arbeitgebernahe IW legt nahe, dass ein sozialpolitischer Handlungsbedarf mit Blick auf einen weitergehenden finanziellen Ausgleich für pflegende Angehörige weniger geboten sei. Dr. Alexia Zurkuhlen, Vorständin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), widerspricht hier und betont: „Die Zahlen, die das Institut der deutschen Wirtschaft zu finanziellen Einbußen bei privater Pflegeverantwortung vorgelegt hat, sind nicht nachvollziehbar. Tatsächlich belegen Studien, dass die Einbußen durch Reduktion der Arbeitszeit sowie damit verbundene Renteneinbußen und weiteren Faktoren im Schnitt bei mehreren Hundert Euro jeden Monat liegen. Nicht selten stellt die private Pflege ein Armutsrisiko für die Hauptpflegeperson dar, und das sind meist Frauen. Vor dem Hintergrund, dass im Koalitionsvertrag ein Familienpflegegeld lediglich als zu prüfen vereinbart ist, sollten diese runtergerechneten Zahlen die Alarmglocken schrillen lassen.“

Die Vorständin des KDA unterstreicht: „Auf lückenhaften Zahlen können keine zukunftsfesten Strukturen aufgebaut werden. Die Übernahme von pflegerischen Verantwortungen durch An- und Zugehörige ist angesichts des Fachpersonalmangels und der sich verändernden Familienstrukturen unabdingbar. Die dadurch entstehenden Auswirkungen auf den Lebensalltag, die eigene Psyche und auf die Finanzen, verdienen eine ehrliche Auseinandersetzung. Wollen wir jetzt und in Zukunft die Pflege stärker in den ambulanten und privaten Bereich verlagern, brauchen wir Antworten auf die Frage, wie wir die Reproduktion finanzieller Ungleichheiten vermeiden. Eine Sicherstellung der Pflege hängt neben dem Pflegegeld und den damit verbundenen Leistungen für pflegebedürftige Personen selbst auch von den ökonomischen Rahmenbedingungen für die pflegenden Angehörigen ab.“

Bisher seien pflegende Angehörige in keiner Weise ausreichend abgesichert – auch wenn manchmal fälschlich von „Transferleistungen“ im Zusammenhang auch mit pflegenden Angehörigen gesprochen werde. Das Pflegegeld stehe ausschließlich den zu pflegenden Personen zur Verfügung – und ein Lohnersatz für zehn Pflegetage pro Jahr seien keine existenzsichernde Maßnahme.

IW-Berechnung zur finanziellen Belastung pflegender Angehöriger

KDA-Beitrag mit Studien czu den finanziellen Lasten Berufstätiger, die Angehörige pflegen 

Pressekontakt: Solveig Giesecke, Pressesprecherin des KDA: Tel.: +49 30 / 2218298 – 58, Mail: solveig.giesecke@kda.de